Schöner Wohnen mit Second-Hand-Bauteilen

Kaum ein Samstag, an dem die Parkplätze vor deutschen Baumärkten nicht gefüllt und die Schlangen vor Recyclinghöfen nicht lang sind. Die Leidenschaft fürs Renovieren und Heimwerkern, sie ist in Deutschland ungebrochen und wurde während Corona nochmal so richtig angefeuert. Wir wollen es schön haben in den eigenen vier Wänden - am liebsten so schön wie bei Pinterest. Also entsorgen wir Altes und kaufen Neues - und belasten damit das Klima mehr als es uns bewusst ist. Bauteilbörsen bieten dazu Alternativen.

Text: Sandra Lachmann, Fotos: Shanice Allerheiligen

Schöner Wohnen - dieses Ziel begleitet viele von uns ein Leben lang. Während es anfangs nur darum geht, endlich mal eine Grünpflanze zu finden, die im WG-Zimmer überlebt, und eine günstige Couch beim Möbelschweden zu ergattern, die nicht nach Möbelschwede aussieht, kaufen wir im besten Fall irgendwann ein Reihenhaus, pachten eine Parzelle oder bauen das Einfamilienhaus auf dem Land um. Und dann geht´s erst richtig los mit dem Renovieren, Umbauen und Sanieren.

Samstage stehen dann nicht mehr im Zeichen von Ausschlafen oder Swipen durch Tinder, sondern im Zeichen von Baumarktbesuchen und Scrollen durch Ebay-Kleinanzeigen. Denn hey, letztens haben wir da ja bei Pinterest dieses tolle Garderoben-Makeover gesehen. Und dieser eine Instagram-Account hat gezeigt, wie man aus einer alten Tür eine individuelle Rückwand fürs Bett baut… Das wollen wir auch. Also, wenn wir endlich mal den Balkon abgedichtet und die Treppe abgeschliffen haben.

 

Schöner Wohnen - das geht auch klimafreundlich

 

Also kaufen wir Baumaterial, bestellen Lampen, beauftragen Handwerker. Und produzieren damit eine ganze Menge CO2 - vor allem, wenn es um größere Projekte geht. Wann immer wir Bauteile am Haus - beispielsweise Fenster, Waschbecken oder Fliesen - ausbauen und durch neue ersetzen, wird Energie benötigt. Vor allem bei der Entsorgung alter Teile und der Produktion neuer. Wer Klimaschutz möchte, sollte daher beim Renovieren und Sanieren einerseits versuchen, ausgebaute Teile im Kreislauf zu halten, damit sie anderswo wiederverwendet werden können. Und andererseits prüfen, ob das, was im Haus geplant ist, nicht mit Second Hand-Bauteilen umgesetzt werden könnte.

Second Hand-Bauteile? Ja, die gibt es. Und zwar in sogenannten “Bauteilbörsen”. Ein Konzept, das seinen Ursprung in der Schweiz hat und auch in den Niederlanden sehr populär ist. Bauteilbörsen sind die klimafreundliche Alternative zum traditionellen Baumarkt: Sie verkaufen günstig gebrauchte Baustoffe, die bei einem Abbruch oder Umbau gerettet wurden.

 

Bremen war erster deutscher Standort für Bauteilbörse

 

Bremen war der erste Standort in Deutschland, der eine Bauteilbörse eröffnet. Zwei Architektinnen gründeten sie 2003 auf einem Recyclinghof im Stadtteil Huchting, inzwischen hat sie sich deutlich vergrößert und ist in das Holzhafen-Gebiet umgezogen. Denn so eine Bauteilbörse, die braucht Platz. Das bestätigt mir auch Mitarbeiterin Katrin Fiedler, die ich an einem Donnerstagvormittag vor Ort besuche. Katrin hat ursprünglich Bootsbau gelernt, aber nicht lang in diesem Beruf gearbeitet. »In dieser Tätigkeit war ich tagein, tagaus von Lacken und Tropenhölzern umgeben, das hatte gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun und davon hatte ich schnell genug«, erzählt sie mir. Seit vier Jahren gehört sie zum aktuell vierköpfigen Team, das sich um den Betrieb der Bremer Bauteilbörse kümmert. Wer dabei für was zuständig ist, lässt sich dabei nicht klar sagen. »Wir machen alle gern alles.«

Bauteilbörse Bremen
Bauteilbörse Bremen

»Alles«, das bedeutet: Mails von Privatpersonen beantworten, die Bauteile anbieten. Auf Baustellen in Bremen und manchmal auch in ganz Norddeutschland fahren, um bei großen Abrissen Teile zu retten. Besucher:innen beraten, die vor Ort etwas suchen. Neue Teile katalogisieren und für den Onlinekatalog fotografieren. Die Fühler ausstrecken, wo in Bremen und Umzu historische Gebäude saniert werden und Kontakt dahin aufnehmen. Türen, Heizungen, Leuchten, Heizkörper und ganze Treppen sinnvoll in den Räumen der Bauteilbörse verteilen. Und vieles mehr. »Wofür wir leider so gar keine Zeit haben, sind unsere Website oder Social Media-Kanäle«, gibt sie zähneknirschend zu. Früher hätte die Bauteilbörse ein paar helfende Hände mehr gehabt, schildert sie. »Aber seit 2012, als die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen abgeschafft wurden, sind wir sehr eng besetzt.« Das Budget, das dem Verein durch den Verkauf der gespendeten Bauteile sowie durch die finanzielle Unterstützung der Bremer Stadtreinigung zur Verfügung steht, lässt weiteres Personal aktuell nicht zu.

Wir schlendern durch die Halle. Erster Halt: Türen. Rund 900 umgeben uns, alle korrekt nach Typ sortiert. Katrin zieht eine alte Schiebetür mit Röllchen hervor. »Solche Türen mag ich besonders gern. Heute werden sie häufig vor der Wand laufend in Häusern montiert.« Einige schlichte Türen, die in Bremen verbaut waren , entpuppten sich beim Ausbau immer wieder als historisch. »Es gab eine Zeit, in der wurden die alten Türen überklebt. Heute sind bei vielen Menschen hingegen wieder verschnörkelte gefragt.«

Auch von weiter her kämen daher Kund:innen in die Bremer Bauteilbörse, um außergewöhnliche Teile zu kaufen. »Auch aus Hamburg. Dort bauen wir wiederum viele Fenster und Türen in alten Häusern aus.«

Dass sie Bauteile nicht selber ausbauen, verwahren und entsorgen müssen, sei für die meisten Personen ein zentraler Anreiz, der Bauteilbörse etwas zu spenden. Manche würden die Teile selbst nach Walle bringen. »Diesen Personen erstatten wir grundsätzlich die Benzinkosten, viele wollen das aber gar nicht, sondern sind Idealist:innen.«

 

Bauteile retten heißt: Energie sparen

 

Katrin zieht einen Ordner hervor. Er enthält Fotos und Berechnungen, die eindrucksvoll zeigen, wie sehr sich die Rettung von Bauteilen lohnt. »Besonders bei großen Projekten. Würden beispielsweise die Bauteile, die beim Abriss des Gemeindehauses St. Georg in Bremen-Huchting von der Bremer Bauteilbörse gerettet wurden, vollständig wiederverwendet, würden 1.478 kWh eingespart - das entspricht dem Stromverbrauch eines 2-Personen-Haushaltes im Zeitraum eines halben Jahres.« Durch Wiederverwendung der Waschbecken, Türen und Fenster, die Katrin und ihr Team beim Abriss des Klinikums Bremen-Mitte ausgebaut haben, würden 1.651 Kilogramm CO2 bzw. 12.853 kWh eingespart - so viel Energie, wie drei 3-Personen-Haushalte in einem Jahr benötigen. Aber auch bei Privathaushalten lohne es sich, nicht alles auf den Sperrmüll zu werfen. Auch hier könne schnell die Energie gespart werden, die dem Monats-Stromverbrauch eines 1-Personen-Haushalts entspricht.

»Leider kontaktieren uns noch wenige, die große Abrisse durchführen, weil alles möglichst schnell gehen soll. Bauteile so auszubauen, dass sie wiederverwendet werden können, dauert länger als sie einfach abzubrechen und zu entsorgen.« Hier wünscht sich Katrin ein größeres Bewusstsein dafür, dass ein, zwei Tage Verzögerung einen kleinen Unterschied im Baugeschäft, aber einen großen Unterschied fürs Klima ausmachen würden.

 

Aufgearbeitete Bauteile sparen CO2, aber auch Geld

 

Mein Blick fällt auf eine große Glastür mit blau-gelbem Rahmen, die mich spontan an eine alte Postfiliale oder Apotheke erinnert. Tatsächlich stammt sie aber aus dem ehemaligen Firmensitz eines Busunternehmens in Stuhr. »Als wir Außenaufnahmen vom Gebäude mit der Frage, ob wir vorbeikommen wollten, bekamen, war ich gar nicht begeistert«, erinnert sich Katrin. »Zu schmucklos und gewöhnlich wirkte es. Aber dann sind wir doch hingefahren und haben dieses Schmuckstück ergattert.«

1.200 Euro soll sie kosten. Was daraus werden könnte, frage ich. »Daraus kann eine richtig tolle Haustür werden«, klärt mich die Expertin auf. »Würde man sich solch eine Tür heute vom Tischler bauen lassen, ist man am Ende gut 30.000 Euro los. Kauft man diese, beizt das Holz ab, ersetzt das bisherige Glas durch Isoglas und fräst Dichtungen rein landet man vermutlich so bei 8.000 bis 10.000 Euro. Immer noch eine Menge Geld, aber eben deutlich günstiger als eine neue. Und klimaverträglicher.«

Wer solche oder ähnliche Projekte, die auf die Mithilfe von Tischler:innen oder anderen Expert:innen angewiesen sind, umsetzt, dem hilft das Team der Bauteilbörse gern weiter. Zum Netzwerk des Second Hand-Baumarkts gehört beispielsweise die Handwerks- und Ausbildungscooperative Bremen, kurz Aucoop. Sie bietet unter einem Dach sowohl Qualifizierung und Beschäftigung für Langzeitarbeitslose, als auch professionelle am Markt arbeitende Handwerksbetriebe. Wenn ergänzend Material benötigt wird, das die Bauteilbörse selbst nicht im Sortiment hat - Katrin und ihre drei Kolleg:innen wissen eigentlich immer, wo man fündig werden kann. 

 

Mit Glück Designklassiker ergattern

 

Eine ihrer Kolleg:innen treffe ich zwischen rosa Waschbecken und alten Heizkörpern: Karin Strohmeier. Die Architektin ist eine der beiden Gründerinnen der Bremer Bauteilbörse. Wenn sie ein Bauteil in die Hand bekommt - das merke ich im Gespräch schnell - dann sprudeln bei ihr sofort die Ideen, was man mit ihnen anfangen könnte. »Auch solche Waschbecken, die viele aktuell aus ihren Häusern ausbauen, können in passender Umgebung richtig was hermachen.« Und mit etwas Glück fände man bei ihnen in der Börse auch echte Highlights, sagt sie und zeigt auf ein altrosa Waschbecken das von einem kleinen rosafarbenem verdeckt ist.. »Das hier ist beispielsweise ein teures Designstück.«

Bauteilbörse Bremen Waschbecken

Stöbern und auf Zufallstreffer hoffen - ja, auch das ist eine Variante für einen Besuch in der Bauteilbörse. Man muss nicht unbedingt Hausbesitzer:in sein, um hier etwas mitzunehmen. Warum nicht alte Fliesen aus einem Bremerhavener Schwimmbad im Garten zu Dekozwecken einsetzen? Einen alten Spind zuhause als Garderobenschrank nutzen? Oder bei der nächsten Theater-AG einen Haufen alter Schlüssel als Detail für die Bühnenkulisse vorsehen? Irgendetwas findet wohl jeder - ich zum Beispiel hätte um ein Haar die alte Gartenbank mitgenommen.

Bauteilbörse Bremen Badewanne

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