»Modulare Architektur wäre die Lösung vieler Probleme«

 

Lebensläufe sind heute von hoher Flexibilität gekennzeichnet. Job, Wohnort, Familienkonstellation – nichts ist für immer. Der Immobilienmarkt bietet allerdings wenig Spielraum für Veränderungen. Eine spannende Idee, wie Wohnen in Zukunft aussehen und dieses Problem gelöst werden könnte, kommt von der Sparkasse Bremen. Dort arbeitet Dragan Miletkovic an der Vision von einer modularen Architektur. Mit ihr würde ein Kinderzimmer im Handumdrehen zur transportablen Studentenwohnung, ein Eigenheim auf dem Land schnell zu einer barrierefreien Seniorenwohnung in der Stadt, und eine Schule hätte immer genau die Größe, die sie gerade benötigt.

Dragan, was genau ist Deine Aufgabe bei der Sparkasse Bremen?

Ich kümmere mich um alles, was „Beyond Banking“ ist, wie man so schön sagt. Themen, die eine Bank nicht klassischerweise im Portfolio hat und die man da auch nicht unbedingt erwartet. Meine Aufgabe ist es, Lösungen anzubieten, die den Bremer Bürger:innen das Leben einfacher machen. Die einen Kundennutzen stiften, den es heute so noch nicht gibt.  Da ist Wohnen selbstverständlich ein großes Thema. Konkret die Frage, wie man auch in Zukunft noch gut wohnen kann. Wir denken ja aktuell immer vom bestehenden Baurecht und von bestehenden Formaten her: Haus versus Wohnung. Miete versus Eigentum. Aber wie würden ich denken, wenn ich mal frei von diesen Vorstellungen wäre, was wäre eigentlich das Optimum für jeden Menschen, der Wohnraum sucht? Damit beschäftige ich mich.

Was belastet die Menschen aus Deiner Sicht derzeit bei der Suche nach Wohnraum am meisten?

Die vielen Entscheidungen, die es zu treffen gilt. Bevor es überhaupt an die konkrete Umsetzung geht, müssen Menschen sich ja erst einmal eine ganze Menge Fragen beantworten. Möchte ich mieten oder kaufen? Soll es ein Haus sein? Soll es eine Wohnung sein? Möchte ich ebenerdig wohnen? Soll es ein Penthouse sein? Möchte ich einen Garten haben? Möchte ich keinen Garten haben? Wie sieht eigentlich meine individuelle Lebensplanung aus? Möchte ich dauerhaft in dieser Immobilie bleiben oder kann ich mir auch vorstellen mal zu wechseln? Wie sieht es eigentlich mit meinem Job aus? 

Die Entscheidung für eine Immobilie ist aufgrund der Schnelllebigkeit der Welt um uns herum und der vielen Einflussfaktoren wirklich ein sehr, sehr komplexer Vorgang geworden. Das kann emotional sehr fordernd und belastend sein. Zumal man sich für diese Entscheidung ja auch kaum Zeit nehmen kann. Wenn man eine Immobilie anschaut, dann weiß man: Wenn ich nicht gleich zusage, tut es ein anderer. Das ist ein Druck, dem man erst einmal gewachsen sein muss.

Wie wollt ihr diese Situation verändern. Was habt ihr schon neu gedacht, was wollt ihr noch neu denken?

Ich nenne mal exemplarisch zwei Maßnahmen, die wir bereits umgesetzt haben. Zum einen ist das unsere Baufi-App. Unser Ziel war es, dass Immobilienfinanzierung so schnell, unkompliziert und digital wie möglich ablaufen soll. Die App macht das möglich. Sie beantwortet in weniger als fünf Minuten, wie viel Haus ich mir leisten kann. Und sie gibt einen prima Überblick über Konditionen, Zinsangebote und Co.

Ein zweites Projekt, das die Situation erheblich erleichtert, ist unser neues Flexi Produkt. Mit ihm muss man sich nicht gleich komplett festlegen, sondern bewahrt sich so viel Flexibilität wie möglich. Mit Flexi kann ich mir eine Wohnung aussuchen und sie beziehen, allerdings kaufe nicht ich die Immobilie, sondern erst einmal die Sparkasse Bremen. Ich kann, bevor ich mich für den Kauf entscheide, die Wohnung eine gewisse Zeit mieten. 

Ich kann die Wohnung auch in Etappen erwerben, bin also nicht daran gebunden oder gezwungen, sie sofort mit allen Rechten und Pflichten zu kaufen. Das kann ich letztendlich mit der Sparkasse gemeinsam tun und der Sparkasse dann sukzessive, je nach Möglichkeit, je nach finanziellem Rahmen, die Immobilie stückweise abkaufen. Der Vorteil: Ich habe einen seriösen Partner an meiner Seite, der mich begleitet. Und wenn ich am Ende sage, dass es die Immobilie nicht ist, kann ich sie auch an die Sparkasse zurückgeben. 

Bleiben zwei Probleme übrig: Die Schwierigkeit, sich für einen Standort zu entscheiden, an dem man den Rest des Lebens verbringen möchte, und der nahezu leergefegte Immobilienmarkt. Welche Überlegungen stellt ihr dazu an?

Tatsächlich sehr große. Man könnte auch sagen: visionäre. Wir denken das Thema Wohnen tatsächlich einmal komplett neu, ganz unabhängig vom bestehenden Baurecht und von einem festen Grundstück.

Wenn wir mit unseren Kund:innen darüber sprechen, was  sie in Zukunft haben wollen, erleben wir immer mehr, dass Flexibilität für Menschen ein ganz, ganz wichtiger Treiber ist. Deshalb arbeite ich mit meinem Team gerade an einem Projekt, das einen ganz neuen Standard kreieren soll: eine modulare Architektur in Holzbauweise. Ein Standard, der mehr Flexibilität gewährleisten, aber auch klimaschützender und finanziell günstiger wäre. 

Aktuell versucht man ja, alle Lebenssituationen, die eventuell kommen könnten, zu berücksichtigen und danach eine Immobilie auszuwählen. Mit dem Ergebnis, dass man eigentlich das, was diese Immobilie bietet, nie bestmöglich nutzt. Entweder hat man zu viel oder zu wenig Platz. Wer weiß schon sicher, wie viele Kinder er bekommen wird, ob irgendwann mal eine Werkstatt für ein neues Hobby oder ein Arbeitszimmer gebraucht wird? Und was ist im Alter? Kann ich später noch mit 60, 70, 80 drei Etagen bewirtschaften?

Die Frage für uns war dann: Warum muss ich heute diese Überlegungen anstellen muss, obwohl ich sie eigentlich gar nicht anstellen möchte und kann? So ist die Idee entstanden, dass es eine Art modulare Containerlösung geben müsste, wo ich Module haben, die ich ganz flexibel erweitern oder reduzieren kann. Verbunden mit der Idee, die wir auch bei Flexi schon verwirklicht haben: dass ich eine Immobilie in Etappen erwerben kann.

Wie muss ich mir das ganz konkret vorstellen? 

Beispielsweise so: Ich möchte gerne mit meiner Partnerin zusammenziehen und wir starten deshalb mit einem Basis Modul-Haus, das sind zwei Zimmer mit knapp 60 Quadratmeter, die für diesen Beziehungsstatus ausreichen. Wenn ich jetzt sage, ich brauche mehr Platz, weil ich zum Beispiel durch Corona plötzlich im Homeoffice sitze, dann miete ich mir einen Wohncontainer dazu. Ganz flexibel. Und im besten Fall ist der dann auch schon auf die Bedürfnisse, die man an ein Arbeitszimmer hat, ausgelegt. Den kann ich dann entweder anmieten oder ich kann ihn mir halt kaufen und langfristig nutzen. 

Wenn Nachwuchs ansteht, dann kann ich ab dem Zeitpunkt, wo der Nachwuchs da ist – und auch wirklich erst dann – das Kinderzimmer bestellen und anbauen lassen. Wenn dann später mal die Oma für längere Zeit die Familie ergänzt, um bei der Kinderbetreuung zu helfen, müsste sie nicht ins Hotel, sondern ich kann ihr temporär ein weiteres Wohnmodul besorgen. Und wenn ich alt bin, kann ich mein Modul auch mit zu einer Seniorenresidenz nehmen. Dass sie nicht aus ihrem gewohnten Umfeld rauswollen, ist ja gerade für ältere Menschen oft der Grund, warum sie nicht in ein Pflegeheim gehen. In diesem Fall könnten sie ihre vier Wände aber einfach mitnehmen. Unsere Idee ist, ein System zu schaffen, mit dem mich meine Immobilie mein Leben lang begleitet. 

Wäre das dann tatsächlich auch transportabel?

Ja, das ist angedacht.  Wir haben heute die Situation, dass durch neue Verfahren und neue Techniken die Beständigkeit von solchen Modulen noch wesentlich höher ist als das, was wir noch vor Jahren hatten. Daher könnte ich diese Module mit einem Kran auf einen Hänger heben und transportieren. Wenn ich aus Bremen nach München ziehen, dann kann ich also meine Module mitnehmen. Perspektivisch könnte ich es aber auch so machen, dass ich diese Module hier in Bremen lasse und sie an einen anderen, der nach Bremen zieht, weitergegeben. So würde ein komplettes Ökosystem entstehen, wo Wohnraum ein Kreislauf ist.  

Der Trend der Tiny Houses zeigt, dass der Wunsch der Menschen genau in diese Richtung geht. Dass man eine gewisse Flexibilität haben möchte, dass man eher kleiner statt verschwenderisch und bedarfsgerecht wohnen will. Man will das haben, was man zum jeweiligen Zeitpunkt in seinem Leben braucht. Und genau das würde unsere Lösung bieten. Zu einem Preis, der heute im normalen konventionellen Bau nicht erreichbar ist.


Würde die Idee auch für Mehrfamilienhäuser funktionieren?

Ja. Das könnte für Krankenhäuser, Studentenwohnheime, Schulen und vieles mehr eine super Lösung sein. Wenn ich beispielsweise als Kommune feststelle, dass in einer Gegend der Bedarf an Kita-Plätzen weniger wird, dafür aber vielleicht durch ein Neubaugebiet am anderen Ende der Stadt höher, dann reduziert man an einem Standort zugunsten des anderen eben. 
Städte könnten dadurch wesentlich flexibler auf Bedürfnisse reagieren. Wenn heute etwas gebaut wird, dann ist die Fläche auch auf die nächsten Jahrzehnte bebaut. Das könnte ich mit modularen Lösungen wesentlich flexibler gestalten und immer neu gucken, was passiert. Stadtentwicklung würde agiler.


Klingt für mich alles nach einer wirklich schlüssigen Lösung. Was ich mich allerdings frage: Wo würden wir diese Modullösungen denn hinstellen? Wo gibt es den Platz? Würde das bedeuten, dass der Altbaubestand weichen muss? Oder würden sich Stadtgrenzen nach außen weiter verschieben?

Aktuell sieht das Baurecht unsere Umsetzung noch gar nicht vor. Das sich das ändert, wäre der erste entscheidende Punkt. Ich merke aber, dass auch die Politik sehr daran interessiert ist, das Thema Wohnen neu zu denken. Weil man feststellt, dass das, wie es heute ist, auf Dauer nicht funktionieren kann. Gemeinde und Städte, gerade auch Bremen, überlegen immer mehr, Flächen nicht mehr zu verkaufen, sondern zu vermieten. Also die Investition für jemanden, der Häuser oder Wohnungen bauen will, wesentlich geringer zu halten und trotzdem noch ein Stück weit Mitsprache zu haben. Das wäre mit dem modularen System einfach umzusetzen. Wenn ich mir als Bürger:in ein Stück Grundstück miete, dort vielleicht fünf Jahre wohne und dann raus aus der Stadt ziehe, weil ich vielleicht einfach ein bisschen mehr das Grüne haben möchte.

Das setzt aber voraus, dass die Politik solch einen mutigen Weg mitgeht. Technisch sind diese Standards überhaupt kein Problem. Unternehmen dafür zu begeistern, ist nicht das Problem. Das Ganze transportabel zu gestalten, ist kein Problem. Das, was nötig ist: über sehr, sehr viele Schnittstellen diesen Gedanken in der Politik zu platzieren. Denn nur so gelingt das Allerwichtigste - Gemeinden zu finden, mit denen wir Pilotprojekte umsetzen können. Die brauchen wir, damit die Idee erlebbar wird.

Die Begeisterung, wenn ich Menschen von unserer Vision erzähle, ist immer sehr, sehr hoch. Weil sie halt sehr viele schwierige Situation wesentlich einfacher macht. Doch natürlich können sich viele Menschen darunter heute noch nichts vorstellen. Die Frage ist dann immer wieder: Wie funktioniert das? Wenn ich mir jetzt wirklich vorstelle, ich habe zwei Zimmer und möchte jetzt ein drittes Zimmer haben? Wie läuft das denn dann in der Praxis? Man muss so was auch ins Erleben bringen. Da möchten wir gern mit Protogebäuden Pionierarbeit leisten – und hoffen auf mutige Entscheider:innen, die uns dafür den Weg ebnen. 
 

Das Interview führte Sandra Lachmann.
 

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