Kaufen oder nicht? Lena und Alex haben sich früh entschieden
Sie sind 27 und 30, haben kürzlich ihren Master gemacht und suchen bereits seit über einem Jahr nach einem Haus: Lena und Alex. Sie haben damit sehr früh eine Entscheidung getroffen, die vielen in diesem Alter noch schwer fällt. Dass sie mit ihrem “Ja” zu Eigentum so früh dran sind, lässt sie den Kompromiss, den sie aktuell eingehen, vergleichsweise gut aushalten: Sie suchen länger, als ihnen lieb ist, um hoffentlich das zu finden, was sie wirklich wollen.
Text: Sandra Lachmann, Fotos: Shanice Allerheiligen
»Nahezu jeder in unserem Umfeld, der oder die zwischen Mitte 20 und Mitte 30 ist, stellt sich die Frage, wie er oder sie wohnen möchte. Will ich kaufen oder doch flexibel bleiben? Das ist für viele gar nicht leicht zu beantworten«, so Lena. Für sie und ihren Freund hingegen ist die Antwort klar: Sie wollen kaufen.
Damit ist das Paar vergleichsweise früh dran mit seinem Wunsch nach Eigenheim. Das Durchschnittsalter für den Immobilienkauf lag im Jahr 2019 einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge bei sage und schreibe 48 Jahren. 2017 besaßen gerade einmal zwölf Prozent der 25- bis 35-Jährigen eine Immobilie, in der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen waren es 38 Prozent.
Eigenheim: Akademiker:innen kaufen meist spät
Gerade Akademiker:innen sind häufig über 40, wenn sie ein Haus oder eine Wohnung kaufen. Weil sie nach dem Hochschulabschluss erst einmal räumlich ungebunden ihren beruflichen Werdegang starten wollen, weil sie vergleichsweise spät Familie gründen – und weil sie während des Studiums meist keine Rücklagen bilden konnten, die als Eigenkapital bei der Finanzierung eines Kredits vonnöten sind. »Viele Banken fordern, dass Eigentümer in spe mindestens zwanzig Prozent Eigenkapital plus Nebenkosten aus eigener Tasche stemmen können. Bei einem Kaufpreis von 400.000 Euro ergibt das die stolze Summe von 88.000 Euro. Im Schnitt verfügen 25- bis 34-Jährige in Deutschland aber laut Statistik über kaum mehr als 20.000 Euro«, kommentierte die Finanzzeitschrift Capital die Studie des IWs.
Das mit dem fehlenden Eigenkapital kennen Lena und Alex nur zu gut. »Als wir vor etwas mehr als einem Jahr begonnen haben, uns auf dem Immobilienmarkt umzuschauen, wurde uns schnell klar, dass wir als Berufseinsteiger:innen noch nicht die finanziellen Mittel haben, die man gewöhnlich als Eigenkapital mitbringen sollte«, erzählen sie mir. »Die Situation ist schon interessant: Wir kommen beide nicht aus einer Akademikerfamilie, aber sowohl unsere Eltern als auch unsere Großeltern haben Eigentum«, sinniert Lena. »Meine Großeltern besitzen ein Einfamilienhaus, dass Alex und ich uns heute trotz Vollzeitjobs kaum leisten könnten. Sie haben das Haus damals mit einem Handwerker-Gehalt und dem handwerklichen Geschick meines Opas gestemmt. Finde es irre, wie sich die Situation zwischen den Generationen verändert hat.«
Von allen Seiten höre man, dass die eigene Rente später vermutlich nur knapp zum Leben reiche und daher ein Hauskauf die beste Möglichkeit sei, sich abzusichern, ergänzt Alex. »Wenn wir jetzt aber dort ein Haus kaufen könnten, wo wir gern wohnen würden und das unseren Vorstellungen entspricht, würden wir einen großen monatlichen Betrag für das Abzahlen des Kredites aufbringen müssen. Von unseren zwei Gehältern würde nicht allzu viel übrig bleibt. Ist das tatsächlich die bessere Möglichkeit? Ein Haus zu kaufen, dass man sich gerade so leisten kann?”
»Warum weggehen, wenn man sich wohlfühlt?«
Was die anderen beiden Punkte – räumliche Unabhängigkeit und fehlende Familienplanung – betrifft, fallen die beiden ein klein wenig aus der Reihe. Anders als die meisten ihrer Kommilitonen zog es sie nach dem Studium an der Uni Bremen nicht in eine andere Gegend. »Wir sind beide in der Nähe von Bremen aufgewachsen, haben als Studierende die gesamte Zeit in Bremen-Horn gewohnt, haben hier unsere Freunde und unsere Familie«, sagt Lena. »Warum weggehen, wenn man sich so wohlfühlt? Auf diese Frage haben wir keine einleuchtende Antwort gefunden und uns deshalb hier unsere Vollzeitjobs gesucht.« Als diese gefunden waren, hätte sich schnell eine logische weitere Frage angeschlossen: »Wenn wir doch eigentlich vorhaben, längerfristig hier zu bleiben, warum dann nicht direkt Eigentum erwerben?«
Auch darauf gab es für sie keine Antwort, die dagegen gesprochen hätte und so begannen sie im Sommer 2020, sich auf dem Immobilienmarkt umzuschauen. Nach einem Eigenheim zu suchen, das nicht nur für zwei Platz bietet, sondern auch potentiellem Nachwuchs ausreichend Platz bietet. »Wir haben natürlich favorisierte Stadtteile«, beschreibt Lena die Suche. »Am allerliebsten würden wir hier in Horn oder Borgfeld bleiben, aber das können wir uns vermutlich in den nächsten Jahren einfach nicht leisten.« Was Lena diplomatisch als „unschöne Situation“ beschreibt. »Es ist halt einfach schwer zu akzeptieren, dass man dort, wo man verankert ist, wo man von Menschen auf der Straße gegrüßt wird, nicht bleiben kann, weil es zu teuer ist.«
»Die Stimmung? Mal besonnen, mal verzweifelt.«
Seit mehr als einem Jahr besichtigen Lena und Alex nun also Häuser in Gegenden, die ihnen gefallen, durchforsten Immobilienportale, halten Augen und Ohren offen. Die Stimmung dabei: wechselhaft. “Mal sind wir besonnen, manchmal auch eher verzweifelt. Das verläuft meist in Phasen”, beschreibt Alex. Einfluss auf die jeweilige Stimmung nähme dabei auch die vielen Begegnungen mit anderen Menschen, die eine Haussuche so mit sich bringt. »Alle sind sich der verrückten Immobiliensituation bewusst. Das führt einerseits zu einer großen Solidarität. Wir bekommen manchmal von wildfremden Leuten, die über zwei Ecken von unserer Suche gehört haben, Tipps für freiwerdende Häuser. Andererseits gibt es aber eben auch Menschen, die die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen und beispielsweise große Mängel an Häusern, die sie verkaufen wollen, herunterspielen.”
Über Kompromisse würden sie natürlich auch nachdenken: Ein Haus mit weniger Platz, dafür in gewünschter Lage? Ein größeres Haus außerhalb von Bremen, allerdings mit Pendelzeit zur Arbeit? Das diese Optionen am Ende vielleicht nötig werden könnten, weiß das Paar. “Weil man sich nicht leisten kann, was einem langfristig gefallen würde, hinterfragt man sich, die eigenen Ansprüche und seine Zukunftsvorstellungen immer wieder neu. Da platzt einem manchmal der Kopf. Oder der Kragen«, so Lena. »Allerdings«, bestätigt Alex. “Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Aktuell ist es so, dass wir selbst mit zwei guten akademischen Gehältern nicht dagegen ankommen, dass andere Menschen gewillt und in der Lage sind, unfassbar viel Geld für Häuser zu zahlen. Das ist hart.«
Aufgeben kommt für die Psychologin und den Webentwickler aber noch nicht infrage. »Dadurch, dass wir wirklich früh dran sind mit unserer Suche, können wir ja noch entspannt sein. Die Umstände bei uns sind nicht so, dass wir zu jedem Preis irgendetwas nehmen müssen, nur um endlich etwas zu haben.« Bei anderen in ihrem Bekanntenkreis sähe das schon ganz anders aus.