Let´s talk about socks!

Anna Elise und Roman legen euch Slow Fashion zu Füßen - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Wahl-Bremer*innen haben Ende 2020 das Label ooley gegründet und produzieren seitdem mit hohem Anspruch an Design und Qualität nachhaltige Unisex-Socken. Ohne ihren täglichen Weg zum Bäcker wäre das vielleicht niemals passiert.

Text: Sandra Lachmann, Fotos: Shanice Allerheiligen

Frisch nach Bremen gezogen kam das Paar beim Brötchenholen stets am Sneaker Store »Glückstreter« vorbei. Schnell wurden sie regelmäßige Besucher des Kultshops von Stefan Schrader. »Genau solche coolen Läden hatten wir in unserer Heimat am Bodensee vermisst,« erzählen sie. »So etwas jetzt direkt um die Ecke zu haben, war toll und lud natürlich zum regelmäßigen Stöbern ein.« 

Doch nicht nur die Schuhmode bei »Glückstreter« zog die Blicke von Anna Elise und Roman auf sich, auch die dortige Artwall. Eine Wandfläche im Laden, die im Wechsel von acht Wochen lokalen Künstler*innen zur Verfügung gestellt wird, um öffentlich ihre Werke und Ideen zeigen zu können.

Textildesignerin Anna Elise war schnell klar: diese Artwall wäre der ideale Ort für ihre Collagen. »Ich habe in der Phase, in der wir neu in Bremen waren, viel mit digitalen Collagen experimentiert. Das war schon immer meine Designleidenschaft. Dabei habe ich oft Strümpfe abstrahiert und mit textilen Flächen gespielt. Strümpfe und Sneaker – das war einfach eine naheliegende Kombi.«

 

Von der Artwall ins Regal: Kooperation initiierte Gründung

Gedacht, gemacht. Anna Elise schnappte sich ihre Collagen, sprach Stefan an - und nach und nach entstand die Idee, die gemeinsame Leidenschaft und Kompetenz für Fashion am Fuß in einem Produkt zusammenzubringen.

Die Kollaboration mit Glückstreter war der Beginn von ooley. »Eine Brand zu gründen, war gar nicht unser Ziel, als wir nach Bremen kamen. Aber die Offenheit von Stefan und unsere eigene Neugierde kamen da einfach zusammen«, schildert Roman. »Und eins war uns von Anfang an klar: Wenn wir das jetzt machen, dann richtig.«

Gründerpaar ooley Bremen

Und das tun sie nun. Ein perfektes Duo dafür sind die beiden, denn beruflich kommen sie aus zwei Bereichen, die beim Gründen eines Socken-Labels essentiell sind. Anna Elise ist der kreative Kopf mit langjähriger Legwear-Erfahrung. Die studierte Modedesignerin hatte vor ihrer Freiberuflichkeit als Produktdesignerin bei erfolgreichen Textilunternehmen wie Wolford und Kunert gearbeitet. Roman kann währenddessen hervorragend Zahlen jonglieren und hat die Finanzen bestens im Blick. Er ist Betriebswirt und arbeitet festangestellt im Controlling eines großen internationalen Konzerns.

 

Entscheidung für eine Stadt, die sie zuvor nie besucht hatten

Sein aktueller Job war es auch, der das Gründerpaar 2019 von Bregenz am Bodensee nach Bremen führte. Eine bewusste Entscheidung für die Großstadt. »Wir wollten etwas komplett anderes sehen als die ländlich geprägte Region am Bodensee, in der wir schon unsere Kindheit verbracht haben.«

Roman war damals bereits fünf Jahre für seinen heutigen Arbeitgeber Mondelez tätig. »Dort hatte ich zu erkennen gegeben, dass ich mir vorstellen kann, an einem anderen Unternehmensstandort eingesetzt zu werden. Daraufhin habe ich recht schnell eine Liste vieler toller Möglichkeiten bekommen.« Die Wahl fiel schließlich auf Bremen. Und das, obwohl beide zuvor nie persönlich in der Stadt gewesen sind.

»Es ist total verrückt, wenn ich das sage, aber ich hatte schon immer ein gutes Gefühl zu Bremen«, erzählt Anna Elise. TV-Dokumentation und Bilder im Internet hätten ihren Eindruck vor allem geprägt. »Ich mochte das Stadtbild auf Anhieb. Die ganzen roten Backsteine, die Altstadtkulisse, das fand ich schön. Diesen Stil gab es bei uns im Süden einfach nicht.« Außerdem hätte sie die Größe überzeugt. »Hamburg ist mir einfach zu groß. Bremens ist ganz nach unserem Geschmack.« 

 

Gründung nachhaltige Socken
Anna Elise und Roman Hurka Bremen

Roman nickt. Seine Beziehung zu Bremen, so erzählt er dann, sei allerdings weniger durch die Architektur, mehr durch den Sport geprägt gewesen. »Ich haben von klein auf Fußball gespielt und immer die Bundesliga verfolgt. Dadurch hatte ich einen Bezug zum SV Werder Bremen und fand die Vorstellung, in einer Stadt mit Bundesligaverein zu leben, ziemlich cool.« Und auch wenn aus der Ersten inzwischen die Zweite Bundesliga geworden sei, hat sich seine Vorstellung vom spürbaren Fußballflair in der Stadt bestätigt. »Solange es vor Corona möglich war, bin ich so oft wie möglich samstags ins Stadion gegangen.« Das Fußballschauen und spielen sei für ihn außerdem von Beginn an eine super Möglichkeit gewesen, Leute kennenzulernen. 

»Einfach aus der Haustür raus und in einer Viertelstunde zu Fuß zum Stadion laufen - so was hast du in ganz wenigen Städten.«

Eine Zwei-Zimmerwohnung im Ostertorsteinweg war das erste Zuhause der beiden Zugezogenen.  »Da wir aus einer eher ländlich geprägten Region stammen, war uns wichtig, so viel urbanes Leben wie möglich mitzubekommen, wenn wir schon in eine Großstadt gehen. Deshalb sind wir zunächst ins Ostertorviertel gezogen und haben uns bewusst gegen Platz und für Lage entschieden. Wir hatten keinen Balkon, nicht viele Zimmer, aber das Stadtleben direkt unterm Fenster.

 

Führungskräfte in Turnschuhen

Inzwischen sind sie ins Barkhof-Quartier umgezogen und aus ooley ist ein stetig wachsendes StartUp geworden. Dass Socken in der Fashionwelt inzwischen ein wichtiges Accessoire sind, sind dabei gute Rahmenbedingungen. Vor allem der Erfolg von Sneakern hätte die Nachfrage vergrößert. »Der Trend ist seit Jahren fortlaufend zu beobachten«, so Modedesignerin Anna Elise. 

Immer mehr Männer und auch Frauen tragen sie, einige haben ganze Sammlungen davon. Führungskräfte in sportlichen Schuhen? Längst keine Seltenheit mehr. Sneaker zum Kleid? Kein Stilbruch, sondern ein Fashion-Statement. Spätestens mit dem Athleisure-Trend sind Sportschuhe in allen Bereichen des Alltags angekommen. Und es gäbe eben viele, die zu ihrem besonderen Sneaker auch besondere Socken suchen. »Die Sneakermode ist extrem außergewöhnlich inzwischen. Manche sind fast schon ein Kunstwerk. Da soll die Socke natürlich passen.« Auch die Trends beim Beinkleid bestimme die Bedeutung von Socken. »Wenn Hosen nicht mehr über den Knöchel reichen, spielen Strümpfe, deren Muster und Farben zwangsläufig eine größere Rolle.«

nachhaltige Socken farbenfroh

Nachhaltigkeit. Design. Qualität.

Über 20 Stores in Deutschland und Österreich listen das Produkt aus Bremen bereits, insgesamt 6 Kollektionen haben Roman und Anna Elise inzwischen auf den Markt gebracht.  »Das Design stand bei mir von Anfang an im Fokus«, so Anna Elise. »Mir ist es total wichtig, vom künstlerischen Ansatz zu kommen, von der Inspiration.« Der künstlerische Prozess bei ooley sei dabei immer geprägt vom Spiel mit Materialien.  »Es gibt so viele Garne. Dicke und dünne, verschiedene Qualitäten, Viskose, Baumwolle, einfarbig und mehrfarbig«, zählt die Wahl-Bremerin auf. »Die Garne sind bei unserem Produkt das Herzstück, entsprechend wichtig ist uns neben der Beschaffenheit auch deren Qualität.« Daher war es für die Gründer*innen auch nie eine Option, lediglich auf bereits erhältliche Sockentypen das eigene Design anzuwenden. »Es gibt bei Socken wirklich extreme Qualitätsunterschiede. Dennoch gibt es viele Marken, die eine ganz normale Baumwollsocke ohne Verstärkung oder Kompression nehmen und einfach ihr Logo draufklatschen.«

So machen es Anna Elise und Roman nicht. Sie nehmen sich jedes Mal aufs Neue viel Zeit für die Entwicklung ihrer Kollektionen und die Auswahl der jeweiligen Garne. Die stammen von einem italienischen Familienunternehmen und bestehen größtenteils aus Bio-Baumwolle und recycelten PET-Flaschen. Wo immer es ansonsten möglich ist, arbeiten die beiden mit lokalen Hersteller*innen und Dienstleister*innen zusammen. Ihre umweltfreundliche Verpackung stammt aus Bremen, ihr Lager befindet sich in Delmenhorst, und neben Glückstreter sind inzwischen auch Green Door Conceptstore, AECHTZimbella, Fritzfranz, King Kong Superstore und Fairtragen analoge Verkaufsorte in Bremen.
 

»Wir mussten in den vergangenen zwei Jahren enorm viele Dinge zum ersten Mal machen und vieles lernen. Angefangen bei Facebook-Werbung über die Einrichtung eines Onlineshops bis hin zu Versandprozessen.« Natürlich würde da auch immer mal das ein oder andere schief gehen. »Aber hier in Bremen kann sich so was durchaus zu etwas Gutem wenden «, schmunzelt Anna Elise und erzählt von einer Anekdote aus den ersten ooley Monaten:

»Nachdem der Weser Kurier über uns berichtet hat, kamen bei uns extrem viele Bestellungen rein. Wir haben damals alles noch selbst gepackt und verschickt, entsprechend überfordert waren wir. Bei einem Versand hier innerhalb Bremens hatten wir einem Ehepaar zu wenig Sockenpaare geschickt. Das hat es uns mitgeteilt und wir haben direkt angeboten, die richtige Socke noch am gleichen Tag mit dem Rad vorbeizubringen. Und was ist dann passiert? Die Frau hat uns direkt zum Kaffeetrinken in ihren Garten eingeladen, total freundlich. Naja, und heute ist sie unsere Steuerberaterin.« So etwas wäre ihnen am Bodensee nicht passiert, meinen sie. 

 

»Im Norden sind die Menschen direkter«

Als sie nach Bremen kamen, kannten Anna Elise und Roman niemanden in der Stadt. Heute sind sie enorm gut vernetzt. Von den acht Gästen ihrer kleinen Corona-Hochzeit waren die Hälfte Bremerinnen und Bremer. Steht ein Foto-Shooting für eine neue Kollektion an, wissen sie schnell, wer vor und hinter der Kamera zum Einsatz kommen kann. Menschen kennenlernen, ein Produkt entwickeln, gründen – das alles würde aus ihrer Sicht an der Weser enorm gut funktionieren. 

Anna Elise Wiedemann Hurka

»Bremen hat im Vergleich zu anderen großen Städten noch Platz für neue Marken. Als es uns erst kurz gab, hatten wir schon eine Bühne.«

 

Das Vorurteil, dass Norddeutsche kühl und distanziert seien, können Anna Elise und Roman nicht bestätigen. »Im Norden sind die Menschen einfach direkter und ehrlicher«, beschreibt Roman seine Erfahrungen. »Hier braucht man vielleicht ein klein bisschen länger, bis man sich öffnet, aber dann spricht man auch wirklich sehr offen und persönlich. Überhaupt nicht oberflächlich. Wenn jemandem hier in Bremen was nicht passt, sagt er es. Und zwar mir, und nicht jemand anderem. Ich finde das toll.« 


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