Voll im Film: 7. Bremer Filmfest

Bereits zum siebten Mal organisieren Matthias Greving und Ilona Rieke das Bremer Filmfest. Allein zehn Weltpremieren, vier Europapremieren und fast 50 Deutschlandpremieren stehen auf dem Programm – Talks, Kurzfilmwettbewerbe und Preisverleihungen runden das fünftägige Programm ab. Es ist ein Filmfest in Zeiten, die von Unsicherheiten geprägt sind: in der Ukraine tobt ein Angriffskrieg und auch die Covid-Pandemie ist noch nicht überstanden. Wie beeinflusst diese Situation Filmemacher*innen und welche Bedeutung haben Filmfestivals für die Kinos einer Stadt? Wir haben Ilona gefragt.

Fotos: Leon Schlesselmann, Felix Müller, Interview: Sandra Lachmann

Weltpremieren, hochkarätige Regisseure und ein international einmaliger Filmpreis in der Kategorie »Humor/ Satire« - wie ist es euch in den vergangenen Jahren gelungen, das Bremer Filmfest als wichtigen Termin und Bremen als wichtigen Ort in der Welt des Filmes zu etablieren?

Wir setzen klare Schwerpunkte und Themen und bauen auf gutes Programm, das sowohl Leute abholt, die Filmfestivals lieben, aber auch Filminteressierte, die noch keine große Erfahrung mit Festivalfilmen haben und daher am Anfang oft nicht wissen, was sie beim Filmfest erwartet. Der Filmpreis hat da natürlich eine besondere Bedeutung und Strahlkraft, da er an Personen verliehen wird, die vielen kinoaffinen Menschen bereits bekannt sind, wie letztes Jahr Hape Kerkeling oder dieses Jahr Aki Kaurismäki. In der Filmbranche ist das Filmfest vor allem aber auch deshalb schnell sehr beliebt geworden, weil wir jeden Film und sein Team wertschätzen und möglichst gut präsentieren, vor Ort im Kino, aber auch digital. Und Bremen ist aufgrund seiner Größe und Struktur ein toller Ort zum Netzwerken – das macht den Standort attraktiv.

Welche Bedeutung hat das Bremer Filmfest für die beteiligten Kinos?

Die Kinos sind natürlich extrem wichtige Partner für das Filmfest. Gleichzeitig lockt das Festival viele Menschen an und macht das Kino auch bei neuen Zuschauergruppen (wieder) als Ort des gemeinsamen Kinoerlebnisses und Austauschs attraktiv. Das ist gerade nach zwei Jahren Pandemie sehr wichtig und wir hoffen für alle Beteiligten, es wird gelingen!

 

Filmfest Bremen von 2015 bis heute

Entstanden ist die Idee des Filmfests aus der gemeinsamen Arbeit Bremer Filmschaffender. Ilona Rieke vom Filmbüro Bremen e.V. sowie Matthias Greving von der Produktionsfirma Kinescope waren sich einig, dass Bremen ein idealer Festivalstandort ist und es auch ein Bremer Filmfest geben muss, das lokalen Produktionen eine angemessene Öffentlichkeit bietet und die Vernetzung der Film- und Medienszene vorantreibt. Aus diesem Gedanken heraus initiierten sie 2015 das erste Filmfest Bremen. Im CinemaxX am Breitenweg wurden 24 Stunden lang ausschließlich Filme mit Bremenbezug gezeigt. Es folgten das zweite und dritte Filmfest Bremen, jedes Jahr mit einem Tag mehr Festivalprogramm, einer stetig ansteigenden Anzahl von KLAPPE!-Kurzfilmen und Zuschauer*innen sowie einem Standortwechsel in die Filmkunsttheater, und schließlich – mit dem vierten Filmfest Bremen – erstmals die internationale Öffnung des Festivalprogramms in den neuen und deutschlandweit einmaligen Sektionen »Innovation« und »Humor/Satire«. 2022 ergänzt der Wettbewerb-Fokus Nachhaltigkeit das Programm mit Filmen, die sich inhaltlich mit ressourcenschonendem Handeln und ökologischen Missständen beschäftigen oder die den Grundsätzen nachhaltigen Produzierens folgen.

 

 

Die letzten Jahre waren pandemiebedingt von großen Unsicherheiten, von gesellschaftlichen Debatten und Zerwürfnissen gekennzeichnet. Hat sich das auf die Art, wie aktuell Filme gemacht werden, bzw. auf ihre Handlung ausgewirkt?

Im letzten Jahr, als das Filmfest pandemiebedingt als reine Online-Ausgabe stattfand, wurden sehr viele Filme eingreicht, die im Lockdown entstanden und diesen auch inhaltlich thematisierten. Aufgrund der Schutzmaßnahmen war ein starker Trend zum Essayfilm zu erkennen, zu Animationen, zu One-Man oder One-Woman Filmen, also alles, was möglichst wenig Dreharbeiten mit vielen Menschen an einem Ort braucht. Filme reflektieren sehr stark die individuellen Erfahrungen der Filmschaffenden, aber greifen immer wieder auch gesellschaftliche Themen auf und reflektieren diese künstlerisch. So globale und prägende Einschnitte wie die Pandemie regen da naturgemäß zur Auseinandersetzung an, die mal kritisch, mal humorvoll ausfällt.

Das diesjährige Filmfest ist hybrid organisiert, das heißt, viele Programmpunkte können auch im Stream verfolgt bzw. nachträglich geschaut werden. Glaubt Ihr, dass - ähnlich zur Arbeitswelt, in der auch nach Corona an einigen digitalen Möglichkeiten festgehalten wird – Kinos zukünftig nicht mehr rein analog gedacht werden können?

Wir glauben, dass das Kino als Kulturort, an dem man gemeinsam Filme schaut und darüber spricht, nicht zu ersetzen ist. Wir glauben aber auch, dass die Zukunft danach verlangt, nicht nur Arbeit, sondern auch Freizeit und Kultur flexibler – und d.h. oft eben auch digitaler – zu denken und zu gestalten. In der Pandemie haben wir viele Vorteile des Digitalen schätzen gelernt: Man kann Distanzen überbrücken, ist räumlich und zeitlich unabhängiger, man kann partizipieren, selbst wenn man nicht vor Ort ist. Wir haben gemerkt, wie schön es ist, dass die Barrieren, die manche Leuten daran hindern, live zum Filmfest zu kommen, im Digitalen oft leichter überwunden werden können. Egal ob eine zu weite Anreise, eingeschränkte Mobilität, familiäre Verpflichtungen o.a. jemanden davon abhalten, ins Kino zu kommen, mit dem hybriden Modell sind große Teile des Programms, ebenso wie Bonus-Material wie Film-Talks oder Live-Streams, auch von zu Hause aus zugänglich. Das schließt viel mehr Leute ein, als vorher und das ist doch toll. Das Analoge und Digitale können sich sehr sinnvoll ergänzen. Wir möchten das hybride Modell daher auf jeden Fall fortführen.

 

Die Sparkasse Bremen und der Bremer Filmpreis

Die Sparkasse Bremen zeichnet bereits seit 1999 mit dem Bremer Filmpreis Persönlichkeiten der europäischen Filmszene für langjährige Verdienste aus. Durch die Kooperation mit dem Filmfest Bremen wird der Preis seit 2021 mit dem Schwerpunkt auf ein humoristisches und komödiantisches Gesamtwerk verliehen. Darüber hinaus ermöglicht die Sparkasse Bremen alljährlich den 48-Stunden-Kurzfilmwettbewerb Klappe! des Festivals.

 


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